Einige wenige, extremistische Gruppen fordern aktiv die erneute Errichtung eines Tempels auf dem Tempelberg als vermeintliches Symbol jüdischer Souveränität und religiöser Erfüllung. Die Mehrheit der Jüdinnen und Juden weltweit lehnt den Bau eines Dritten Tempels jedoch entschieden ab – auch aus theologischen Gründen.
In der jüdischen Tradition gilt der Tempelberg (hebr. Har ha-Bajt) als Standort des Ersten und Zweiten Tempels. Der Erste Tempel wurde im 10. Jahrhundert v. d. Z. unter König Salomo errichtet und 586 v. d. Z. von den Babyloniern zerstört. Der Zweite Tempel wurde im 6. Jahrhundert v. d. Z. von Jüdinnen und Juden nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil errichtet und im Jahr 70 n. d. Z. von den Römern zerstört. Seitdem ist das jüdische Tempelheiligtum nicht mehr existent. Im 7. Jahrhundert eroberten muslimische Armeen Jerusalem. Auf dem Tempelberg (arab. Al-Haram-Asch-Scharif) wurden bedeutende islamische Heiligtümer errichtet: der Felsendom sowie die Al-Aqsa-Moschee, die heute als drittheiligste Stätte des Islams gilt.
Aus religiöser Perspektive ist es Jüdinnen und Juden untersagt, den Tempelberg zu betreten. Dieses Verbot wurde wiederholt vom israelischen Oberrabbinat bestätigt. Der Grund dafür ist halachischer Natur: Nach dem jüdischen Religionsgesetz gilt der genaue Ort des ehemaligen Allerheiligsten (Kodesch HaKodashim) im zerstörten Tempel als so heilig, dass er nur unter strengen Reinheitsvorschriften – die heute nicht mehr einhaltbar sind – betreten werden dürfte. Da der exakte Standort nicht bekannt ist, besteht die Gefahr, diesen heiligen Bereich unabsichtlich zu entweihen. Darüber hinaus herrscht unter orthodoxen jüdischen Autoritäten Einigkeit darüber, dass ein Dritter Tempel nicht durch menschliches Handeln errichtet werden darf. Vielmehr wird er als eschatologisches Ereignis verstanden, das allein mit dem Kommen des Messias geschehen kann – durch göttliches Eingreifen, nicht durch politische oder aktivistische Initiative.
Die heutige religiöse Verwaltung des Tempelbergs liegt beim jordanischen Waqf, während Israel für die äußere Sicherheit verantwortlich ist. Der Zugang für Besucher unterliegt strengen Regelungen: Nichtmuslimische Besucher dürfen den Tempelberg nur zu bestimmten Zeiten betreten, jedoch ist ihnen das Beten dort untersagt. Dieses Gebetsverbot beruht auf israelisch-polizeilichem Recht zur Haltung des Status quo, einer historischen Vereinbarung, welche die religiöse Nutzung des Tempelbergs seit osmanischer Zeit regelt und den Vorrang des muslimischen Gebets an diesem Ort festschreibt.
Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel die Altstadt Jerusalems einschließlich des Tempelbergs. Seitdem gibt es – trotz der politischen Vereinbarung zur Wahrung des status quo sowie den religiös-halachischen Verboten – vor allem aus kleinen, nationalreligiösen und messianisch orientieren Kreisen Bestrebungen, den Tempel wieder zu errichten. Diese extremistischen Gruppen betrachten den Tempel als zentrales Symbol jüdischer Souveränität und religiöser Erfüllung, repräsentieren aber in keinster Weise eine jüdische Mehrheitsmeinung.
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